Über ein soziales Netzwerk, in dem Lernende die Macht haben

Bild: Bildzitat vom Netzwerk Instahub. Lizenz: gemeinfrei

Bild: © Julian Dorn Julian Dorn ist Informatiklehrer an einem Gymnasium in Leipzig. Für seinen Unterricht hat er ein soziales Netzwerk entwickelt, welches es Lernenden ermöglicht hinter die Fassade von Plattformen wie Facebook und Snapchat zu blicken.

Du bist Wirtschaftsinformatiker, wie bist du zum Lehrberuf gekommen?
Als Wirtschaftsinformatiker habe ich zwischen Menschen aus der Informatik und Wirtschaft vermittelt. Mir hat dieser Vermittlungsprozess großen Spaß gemacht. Dann habe ich mich gefragt, wo dieser besonders im Mittelpunkt steht und bin auf Schulen gekommen. Zu meinem Glück gibt es da gerade sehr großen Bedarf, sodass ich sofort Verantwortung übernehmen konnte und musste. Und nun bin ich Lehrer und es ist eine wirklich gute Entscheidung gewesen.

Warum ist diese Vermittlung wichtig?
Ich denke, dass es den Menschen hilft, wenn sie sich technisch auskennen. Ich möchte, dass Heranwachsende im aktuellen Umbruch fundiert mitreden können und nicht von der nächsten Technik-Welle weggetragen werden. Ich möchte, dass Heranwachsende im aktuellen Umbruch, in dem Informatik sämtliche Lebensbereiche erfasst und umkrempelt, fundiert mitreden können und nicht von der nächsten Technik-Welle weggetragen werden. Es geht darum selbst zu entscheiden, wie wir neue Technik nutzen und entwickeln wollen.

Was ist besonders an dem von dir entwickelten sozialen Netzwerk?
In der Informatik gibt es Datenbanken. Ein Thema, das sich erst einmal sehr langweilig anhört. Aber im Endeffekt wird die gesamte Informatik dadurch angetrieben. Jede Website, die besucht wird, ist eigentlich eine Datenbank mit einer netten Oberfläche. Dadurch ergeben sich all diese Möglichkeiten, wie „Big Data“ und zielgerichtete Werbung. Im Informatikunterricht wurde das den Lernenden bisher immer sehr abstrakt beigebracht. Deswegen habe ich überlegt, wie das Thema Datenbanken spannend gestaltet werden kann, also etwas mit dem Leben der Lernenden zu tun hat, um Neugier zu wecken. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, soziale Netzwerke zum Thema zu machen. Mit der Software können die Lernenden einen Blick hinter die bunte Oberfläche werfen. Gleichzeitig ist alles so einfach gehalten, dass es weiterhin verständlich bleibt. Die Lernenden bekommen die Möglichkeit Administrator ihres eigenen Netzwerkes zu sein und erhalten einen Einblick, welche Macht sie haben, wenn sie über die Daten ihres sozialen Netzwerks verfügen.

Welche Themen lassen sich mit der Plattform vermitteln?
Es werden die Vor- und Nachteile von Client-Server-Architekturen thematisiert. Auch die Bedeutung von Datensicherheit und Datenschutz wird behandelt. Außerdem gibt es Einblicke in die Analyse großer Datenmengen. Es sind also in erster Linie technische Themen, wobei ich mit meinen Klassen auch auf gesellschaftliche Wirkungen eingehe, die mit dem Besitz sozialer Netzwerke einhergehen.

Wie integrierst du das System in den Unterricht?
Ich beginne mit ganz alltäglichen Situationen, zum Beispiel mit einer Suchanfrage. Wir sprechen darüber, dass dahinter eine Datenbank steckt, die meine Anfrage bearbeitet, genau wie hinter sozialen Netzwerken. Nach dieser Einführung legen sich die Lernenden ihr eigenes soziales Netzwerk an, mit jeweils 200 Mitgliedern, die automatisch generiert wurden. Anschließend beginnen wir das Netzwerk zu erkunden. Erst schauen wir uns die Weboberfläche und ihre Möglichkeiten an. Dann steigen wir in die Sprache SQL ein und finden mit dieser beispielsweise heraus, dass sehr viele Mitglieder des Netzwerkes aus Berlin und Leipzig kommen. Anschließend überlegen wir, wie wir Fotos, Kommentare, Tags und Likes in das System integrieren können und führen dann notwendige Erweiterungen durch. Dabei schauen wir uns immer an, was der User sieht und was im Hintergrund stattfindet. Der Unterricht läuft also so ab, dass wir Aufgabenpakete besprechen und sie dann mit dem Netzwerk umsetzen oder erforschen. Dazu habe ich auch bereits Unterrichtsmaterialien entwickelt und veröffentlicht. Mit diesen kann in Sachsen der gesamte Lernbereich Datenbanken für die Sekundarstufe II umgesetzt werden.

Bild: Bildzitat vom SQL-Editor von InstaHub. Lizenz: gemeinfrei

Jeder Schüler und jede Schülerin betreibt ein eigenes soziales Netzwerk. Fällt dadurch nicht ein wesentlicher Aspekt sozialer Netzwerke weg, das Soziale?
Die sozialen Interaktionen werden teilweise simuliert. Es ist aber möglich, sich im sozialen Netzwerk des Nachbarn anzumelden. Aber grundsätzlich haben die Lernenden ihr eigenes Netzwerk. Das ist notwendig, da jeder und jede die Möglichkeit haben soll, als Administrator das System zu erforschen und zu manipulieren. Wenn es nur ein System gäbe, wäre das schwieriger. Außerdem haben die Lernenden die volle Macht; sie können ihre Netzwerke auch löschen. Es geht in erster Linie um technische Aspekte. Aber dabei tauchen auch immer wieder gesellschaftliche Fragen auf. Das Ausmaß, wie wenig Privatsphäre User in sozialen Netzwerken haben, überrascht viele Schülerinnen und Schüler sehr. Zum Beispiel, wie wenig Privatsphäre ich als User eigentlich in solchen Netzwerken habe. Das Ausmaß überrascht viele Schülerinnen und Schüler sehr.

Wie haben Lernende das System bisher aufgenommen?
Sie hatten großen Spaß. Ich habe zum Beispiel das Feedback bekommen, dass ein Schüler einem anderen, der ebenfalls das Thema Datenbanken an seiner Schule hatte, vieles erklären konnte, weil er es anhand der realen Anwendung viel besser verstanden hatte.

Wo gab es Probleme?
Ich habe das System alleine programmiert, weswegen es besonders am Anfang gelegentlich abgestürzt ist.

Welche technische Ausstattung wird benötigt, um die Plattform zu nutzen?
Die Lehrenden können den einfachsten Weg gehen und sich über instahub.org registrieren. Anschließend senden sie mir eine kurze E-Mail mit ihrem Benutzernamen, damit ich weiß, dass es sich um einen Lehrenden handelt. Denn es gehört Verantwortung dazu, im Anschluss Lernende zu administrieren. Ansonsten wird lediglich eine Internetverbindung benötigt. Wer das System selber betreiben möchte und kein Internet an der Schule hat, benötigt einen (virtuellen) Server, auf dem er die Software installiert, die ich auf GitHub zur Verfügung stelle.

Welches Wissen müssen Lehrende mitbringen, um es einzusetzen?
Eigentlich nicht viel. Sie müssen SQL können.

Wobei brauchst du noch Hilfe?
Ich würde mich freuen, wenn ich noch didaktische Unterstützung bei der Gestaltung der Lehrmaterialien bekomme. Denn wer sich spannende SQL-Aufgaben überlegt, benötigt viele gute Ideen. Auch über Unterstützung bei der Programmierung würde ich mich freuen. Denn es gibt noch viele Ideen für neue Funktionen, mit denen das Netzwerk ausgestattet werden könnte. Zum Beispiel personalisierte Werbung, ein System, das mir entsprechend meines Nutzerprofils Produkte empfiehlt.

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