„Mein Grundsatz ist: ergänzen statt ersetzen“ - Kai Wörner im Interview

Bild: Kai Wörner Lizenz: CC-BY 4.0

Kai Wörner ist Lehrer an der für Medienbildung ausgezeichneten Realschule am Europakanal Erlangen II. Er unterrichtet Deutsch, Geschichte, Ethik und Sozialkunde und betreibt mit Kollegen des Schulversuchs “Digitale Schule 2020” einen gemeinsamen Blog, in dem Erfahrungen zu digitaler Bildung vorgestellt werden.

Im BayernEdu Blog gibt es einige konkrete Anregungen, wie der Schulunterricht digital und zeitgemäß gestaltet werden kann. Wie gehst du im Alltag vor, wie integrierst du digitale Tools in deinen Unterricht?
Mein Grundsatz ist: ergänzen statt ersetzen. Ich suche mir Unterrichtsbausteine, die ich digitalisieren kann. Dabei orientiere ich mich an dem 4K-Modell und nutze Tools wie Etherpad oder Mindmap. Arbeitsblätter gehören auch noch dazu. Allerdings können die Schüler*innen diese über einen Blog abrufen, kommentieren sowie editieren. „Digitale und zeitgemäße Bildung benötigen Zeit.“ Es gibt genügend Möglichkeiten, das Problem ist eher der Rahmen einer Schulstunde: Digitale und zeitgemäße Bildung benötigen Zeit. 45 Minuten sind da oft zu kurz, daher setzen wir bei uns an der Schule schon seit Jahren auf das Doppelstundenprinzip, was sich jetzt besonders auszahlt. Denn wenn sich die Schüler*innen einen Mehrwert erarbeiten sollen, brauchen sie einerseits Zeit für die Einarbeitung in ein Thema und andererseits für die anschließende Umsetzung im Rahmen einer produktionsorientierten Vertiefung.
Eine solche Arbeit ist dann in meiner Schulstunde beispielsweise ein kurzer Video-Trailer oder eine Präsentation. Die Schüler*innen beschäftigen sich also mit einem Inhalt und strukturieren ihn danach in ihrer Art und Weise, um ein Produkt zu erstellen.
Mir ist wichtig, dass ich mit den Schüler*innen anschließend über den Ablauf rede und die Tools sowie das Vorgehen reflektiere. Zum Beispiel ist es schon vorgekommen, dass sich die Schüler*innen ein bestimmtes Programm wünschen, das ich noch nicht auf dem Schirm hatte. In der siebten und achten Klasse gebe ich noch vor, welche Programme eingesetzt werden können. In der Zehnten mache ich das nicht mehr. Ab dieser Klasse ist der Auftrag globaler und die Schüler*innen können sich aussuchen, mit welchen Tools sie arbeiten möchten.

Das klingt nach einem offen gestalteten Unterricht. Mit welchen Tools habt ihr die besten Erfahrungen gemacht?
Das ist schwierig. Eine App-Parade würde ich jetzt gar nicht nennen wollen. Ich finde aber alles interessant, was mit dem digitalen Prüfen zusammenhängt, zum Beispiel socrative. Allerdings steht der Server nicht in Deutschland und das ist problematisch. In diesem Bereich testen wir zur Zeit Alternativen, wie beispielsweise über die bayerische Plattform mebis. Feedback-Apps finde ich ebenfalls gut, wie beispielsweise AnswerGarden. Die App lässt sich unterschiedlich einsetzen, nicht nur für Feedback. Du kannst eine Frage stellen und die Schüler*innen können in 40 Zeichen antworten. Man könnte beispielsweise fragen „Wie war der Unterricht?“ man könnte aber auch fragen „Welche Frage habt ihr an das Thema?“. Wenn anonym gefragt wird, kommen oft Themen auf den Tisch, die sonst darunter geblieben wären. Bild: „Schüler entwickeln eine App-Idee“ by Kai Wörner Lizenz: CC-BY 4.0

Solche Sachen sollen den Unterricht nicht auf Teufel komm raus digitalisieren. Sie machen ihn einfach etwas anders, interaktiver. Etwas, das sicherlich nicht stimmt, ist, dass die Schüler*innen nicht mehr miteinander reden und nur noch konsumieren. Das Gegenteil ist der Fall. Auch die Motivation ist gestiegen. Zum Beispiel schauen sich die Schüler*innen häufig nach der Schule noch ein MrWissen2go Video an, um den Inhalt der Stunde zu vertiefen. Für derartige Videos gibt es auch noch ein gutes Tool, das man an dieser Stelle nennen könnte: h5p. Das ist eine Open Source Software, die in verschiedene Blogs integriert werden kann. Damit lassen sich Videos interaktiv gestalten. Beispielsweise pausiert das Video und der Schüler oder die Schülerin muss eine Frage beantworten, bevor es weitergeht.

Das sind spannende Möglichkeiten. Was fehlt denn noch, um den Unterricht digital und zeitgemäß zu gestalten? Making und OER
Die Medienpädagogin Kristin Narr berichtet von ihren Erfahrungen mit Making sowie der Verwandtschaft von Making und OER.

Es fehlen weniger Tools, sondern die Dinge, die den Alltag erleichtern und zwar in zwei Bereichen: Erstens müsste die Verwaltung digitalisiert werden, zum Beispiel das Prüfen. Wir prüfen noch sehr analog. Der Deutschaufsatz wird noch mit der Hand geschrieben. Mit einem Deutschdidaktiker von der FAU Erlangen-Nürnberg, Herrn Axel Krommer, möchte ich bald ein Seminar mit dem Thema „Wie prüfe ich im digitalen Zeitalter?“ anbieten und dieser Frage wissenschaftlich nachgehen. Dabei soll es nicht darum gehen, Prüfungen in Multiple Choice-Abfragen umzuwandeln, sondern viel mehr, wie Projektergebnisse bewertet werden können, die manche Prüfungen ersetzen könnten. Es geht also um die Frage: Wie lassen sich der projektbezogene Inhalt und die technische Umsetzung konkret bewerten? Denn ich denke, dass diese Frage viele davon abhält, den Unterricht projektorientiert und durch digitale Tools strukturiert zu gestalten. Zweitens fehlt Wissen rund um das Thema Urheberrecht. Was ist OER, was ist eine CC-Lizenz? Die wenigsten Lehrer*innen wissen das. Ich wusste es auch nicht, bevor ich mich nicht über Twitter begonnen habe zu informieren. Fehlt aber dieses Wissen, hemmt es die Verbreitung der eigenen Materialien. Auch Fragen rund um den Datenschutz müssen beantwortet werden.

Zur Zeit arbeitest du gemeinsam mit Kollegen an einem Seminar-Konzept, das diese Wissenslücken schließen und Themen der digitalen Bildung Referendaren zugänglich machen soll. Welche Inhalte sind die wichtigsten, um den Schulunterricht zeitgemäß zu gestalten? „Mir geht es […] in erster Linie um guten Unterricht.“
Die meisten werden die Studie gelesen haben: Lehramtsstudierende sind wenig digital-affin. Das kann ich teilweise bestätigen, teilweise auch nicht. Dass da etwas passieren muss, steht aber außer Frage. Deswegen arbeite ich mit meinen Kollegen an DiBis - Digitale Bildung im Seminar, womit wir unsere Erfahrungen weitergeben möchten. Dafür haben wir bereits einen Seminarplan erstellt. Mir geht es natürlich in erster Linie um guten Unterricht. Die meisten Themen, die im Plan aufgelistet sind, sollen mit konkreten Unterrichtsbeispielen unterfüttert werden. Eine der weiteren wichtigen Fragen ist die, wie meine eigene Schule technisch aufgestellt ist. Denn davon hängt ab, welche Medien ich überhaupt nutzen kann. Der zweite ergänzende Punkt sind rechtliche Fragen und alles rund um OER. Und der letzte Schwerpunkt soll die Schattenseiten der digitalen Welt beleuchten. Dies möchten wir unter anderen in den Fachbereichen Pädagogik und Psychologie vertiefen. So viel Know-How wie bei uns in Erlangen gibt es im Referendariat meines Wissens noch nicht und ich denke, dass sich durch dieses Projekt einiges bewirken lässt.

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