Gamification & offenes Lernen: ein Widerspruch?

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Bild: Matthias Löwe

Mat arbeitet seit 2017 an Workshopformaten der FamilienLabore und Demokratielabore - Projekte des Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. Als Interaktionsdesigner setzt er sich für einen künstlerischen und kreativen Umgang mit Spielen und Spielmechaniken ein. In Form von Workshops, Talks und Festivals engagiert er sich darüber hinaus in der Initiative Creative Gaming und veranstaltet Spielkultur-Events.

Warum ist Gamification oder ein spielerischer Lernansatz wichtig?
Das sind für mich zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Ein spielerischer Lernansatz schließt nicht unbedingt Gamification ein. Gamification finde ich auch oft nicht vorteilhaft. Aber dazu später mehr. Ganz grundlegend: Ein spielerischer Lernansatz ist sehr wichtig, weil er in der Regel das Setzen von individuellen Zielen ermöglicht. Dadurch ergibt sich für die Lernenden ein persönlicher Nutzen, denn es geht nicht darum externe Vorgaben zu verfolgen. Ein spielerisches Lernszenario regt auch verstärkt die Kreativität und unterschiedliche Sichtweisen auf eine Aufgabe an, wodurch das Lernen an sich viel effektiver ist.

Also trägt ein spielerischer Ansatz zur Sinnhaftigkeit bei?
Es kommt auch darauf an, wie dieser Ansatz strukturiert ist. Ein Spiel, wie beispielsweise ein Quiz, ist nicht sehr zielführend. Ein Spiel mit mehr Freiheitsgraden hält ganz andere Möglichkeiten bereit. Denn wenn du spielen kannst, dann benötigst du die Freiheit dir deinen eigenen Weg zu bahnen und einen Lösungsansatz zu finden. Wenn du dann auch noch im Team agierst, kommen schon recht viele Aspekte zusammen, die moderne Bildungsansätze auch mitbringen. Der Unterschied liegt in der “Umgebung”: die zum Teil eine fiktive sein kann. Sie ermöglicht es ein Stück weit mehr aus sich herauszukommen, sich mehr zuzutrauen. Zum Beispiel das Thema Angst: “Eigentlich bin ich zu doof für Mathematik.” Aber wenn ich dann einmal in die Rolle einer Figur schlüpfe, bei der ich diese Voreingenommenheit vergessen kann, bin ich vielleicht gar nicht so schlecht.

Wo fängt denn das Spielen an oder wo hört es auf? Du sagtest ja schon: Gamification siehst du skeptisch
Da gibt es sehr unterschiedliche Konzepte. Manche sagen “Man hört nie auf zu Lernen”, so gilt auch: “Man hört nie auf zu spielen.” Spielen findet in sämtlichen Bereichen des Lebens statt. Bei dem Konzept “Gamification” handelt es sich aus meiner Sicht um einen sehr engen Ansatz. Normalerweise werden vorhandene Spielregeln wie High-Score-Listen oder Fortschrittsbalken auf andere Kontexte übertragen. Diese Regeln werden auf bestehende, auf Leistung orientierte Formate angewendet, ohne das Lernszenario zu reflektieren und sich wirklich Gedanken zu machen, wie ein Thema spielerisch erlebt werden kann. Das ergibt dann eher eine um ein Thema gestrickte Spielmechanik, als ein Spiel mit Freiheitsgraden.

Was entgegnest du dem Einwurf, dass ein spielerischer Ansatz dazu führt, dass am Ende nur noch gedaddelt und wenig gelernt wird?
Das kommt natürlich ganz auf das Setting an. Zum Beispiel arbeitet Mirek Hancl in seinem Chemieunterricht mit Minecraft. Die Lernenden spielen also im Unterricht an Laptops gemeinsam in einer Welt. Einzelne Blöcke im Spiel fungieren dabei als Atome und eine Aufgabe ist zum Beispiel Kühe fliegen zu lassen. Dafür müssen die Lernenden Helium-Moleküle bauen, diese in Luftballons füllen und die Ballons an den Kühen befestigen. Am Anfang wird da natürlich viel herumgespielt, aber vor allem ausprobiert. Wenn das einmal normal geworden ist, dann ändert sich das und es wird getestet, welche Moleküle noch entstehen können.

Was hat also ein spielerischer Ansatz mit zeitgemäßem Lernen zu tun?
Der springende Punkt ist, dass es bei dem spielerischen Ansatz nicht darum geht einen bestimmten Lösungsweg zu einem bestimmten Ziel zu lernen, sondern man lernt sich selbst Ziele und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Und das ist heute unabdingbar.

Dafür müssen die Szenarien aber recht komplex strukturiert werden. Hast du da ein gutes Beispiel?
Die Computerspielschule macht es zum Beispiel so, dass es mehrere vorgegebene Ziele gibt, die aber jeder Spieler und jede Spielerin individuell erreichen kann - es gibt keinen vorgegebenen Weg, nur Hinweise.

Leider funktioniert es in der Regel nicht, dass ein Konzept als Blaupause auch für andere Szenarien verwendet werden kann. Ich habe bisher meine Konzepte immer an spezifische Gegebenheiten anpassen müssen. Grundsätzlich gehe ich dabei immer so vor, dass ich mir ein Thema anschaue und Aspekte identifiziere, die sich spielerisch umsetzen lassen. Dafür muss meist ein wenig nachgeforscht werden. Bei der Umsetzung muss anschließend gerade am Anfang geschaut werden, welche Werkzeuge und Methoden gut funktionieren, wo das Spiel zu sehr in den Fokus rückt und Inhalte in den Hintergrund treten bzw. wie lang der Moment vom “Austesten” der Spielumgebung hin zur inhaltlichen Auseinandersetzung ist. Methoden fruchten so oft erst beim zweiten oder dritten Mal.

Was hältst du von fertigen Lernspielen?
Da gibt es ein paar gute Ansätze. Wichtig ist aber immer, dass diese Spiele in einen geeigneten Kontext verankert und am Ende reflektiert werden. Grundsätzlich bin ich aber eher ein Fan davon, wenn die Lernenden ihre eigenen Spiele entwickeln, sich dabei mit einem Thema befassen und es anderen zur Verfügung stellen.

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